„Zivilisationsbruch Auschwitz“ – ein Ort, über den man so viele Fakten wissen kann, wie man will und trotzdem nicht ansatzweise verstehen kann, welches Leid dort geschehen ist.
10.02.2025 – Montag – Beginn der Reise und Ankunft in Kraków
Unsere Reise begann um 7:45 Uhr, als wir uns als gesamte Gruppe im Dresdner Hauptbahnhof trafen. Unser Ziel – Kraków – erreichten wir sieben Stunden später. Um erste Eindrücke der Stadt zu bekommen, machten wir uns kurz nach der Ankunft auf, die Krakówer Altstadt zu besichtigen. Gestärkt von einem guten Abendessen trafen wir uns zu einem kurzen Einführungsworkshop. Wir tauschten uns nicht nur über unser bereits vorhandenes Wissen zu den Themen Holocaust/ Shoa und jüdisches Leben in Polen aus, sondern auch über unsere Erwartungen an diese Woche. Diese Runde war auch eine Möglichkeit, die Gruppe besser kennenzulernen, da wir mehrere Leute aus zwei verschiedenen Jahrgängen waren (10. und 11. Klasse unserer Schule).
11.02.2025 – Dienstag – Besichtigung der Stadt Krakau und Kennenlernen ihrer Geschichte
Am frühen Vormittag begann unsere geführte Tour durch die Krakówer Innenstadt mit unserem deutschsprachigen Guide Christian. Er zeigte uns das jüdische Viertel mit der Remuh-Synagoge und wir besichtigten das Schloss Wawel. Wir erfuhren viel über die (jüdische) Geschichte Krakóws und über die Gegenwart in Polen. Besonders eindrücklich war der Ausblick über die Stadt vom Turm der Kathedrale auf dem Schlossberg.
Nach der Mittagspause begann die Stadtrallye, in der wir in 4er Teams etwas über die Geschichte Polens herausfinden sollten. An verschiedenen Stationen zeigten wir bspw. auch unser Talent im Polnisch sprechen (bzw. den Versuch ;). Nach der Tour beendeten wir den informativen Tag mit einem Liederabend. Christian stellte uns jiddische, polnische und deutsche Lieder vor, die wir gemeinsam sangen. Diese Lieder hatten wirklich Ohrwurm- Potenzial, auch wenn man manchmal mehr als die Hälfte nicht verstanden hat. Außerdem beantwortete Christian noch die eine oder andere Frage über das Leben in Polen und die polnische Kultur.
12.02.2025 – Mittwoch – Reise von Krakau nach Oświęcim und erste Eindrücke
Unser zweites Ziel in dieser Woche sollte Oświęcim (Auschwitz) sein. Die Zugfahrt war dieses Mal deutlich kürzer und so langsam versuchte man sich bewusst zu machen, dass es quasi jetzt erst so richtig losging bzw. es jetzt wirklich ernst wurde. Die zwei Tage in Kraków waren sehr schön und ein guter Einstieg in das schwierige Thema, aber irgendwie war Auschwitz nicht nur geographisch noch ein Stück entfernt gewesen, sondern auch gedanklich. Nach der Ankunft in der Unterkunft wurde uns ziemlich schnell bewusst, dass sich in Sichtweite das ehemalige Konzentrationslager befand- was wir als sehr bedrückend empfanden.
Dieses Gefühl nahm noch mehr zu, als wir uns nach dem Mittagessen zu einem Spaziergang aufmachten. Wir näherten uns langsam den Außenmauern des ehemaligen Lagers. Obwohl wir hinter den Zäunen schon die Baracken erkennen konnten und wir diesem Ort nun auch physisch sehr nah waren, sorgten die Mauern dafür, dass alles, was dahinter passiert war, trotzdem noch fern wirkte. Der Rundgang führte uns auch zur Villa der Familie Höß, einem Ort, der im Laufe des Abends noch einmal entscheidend werden sollte. Während des Spaziergangs begleiteten uns 3 deutsche Studentinnen, welche ihr Praktikum in der Gedenkstätte Auschwitz machen und sich beispielsweise mit Aufgaben wie der Bergung von Dokumenten oder Restauration von Schuhen beschäftigen. Sie beantworteten unsere Fragen und erzählten uns einiges über ihre persönlichen Eindrücke und ihr Leben hier. Im Anschluss an unseren Spaziergang besichtigten wir das Museum zum Gedenken an die Einwohner der Region Oświęcim. Es war sehr interessant, mehr über die Perspektive der Menschen, die direkt neben dem Konzentrationslager gelebt haben, zu erfahren. Und es war in gewisser Weise auch beeindruckend, Geschichten über ein paar wenige Menschen zu hören, die verschiedene Möglichkeiten genutzt haben, um KZ-Häftlingen zu helfen oder zu unterstützen.
Nach dem Abendessen besprachen wir unsere ersten Eindrücke des Tages und redeten über unsere Erwartungen an die morgige Führung durch Auschwitz I. Für einige war der Rundgang und der Besuch im Museum eine langsame aber sichere mentale Vorbereitung darauf, was uns morgen erwarten würde. Nach dieser kleinen Reflexionsrunde schauten wir gemeinsam den Film „Zone of Interest“, welcher das Leben der Familie Höß (der Vater Rudolf Höß war Kommandant des KL Auschwitz) am Rande der Mauern des KL´s zeigt. Das Augenmerk lag in diesem Film auf der Darstellung des Lebens der Familie Höß in idyllischen Verhältnissen, während auf der anderen Seite des Zauns täglich Juden, andere ethnische Minderheiten, politische Gefangene und weitere Personengruppen misshandelt und getötet wurden. Nach dem Film sprachen wir kurz über unsere Eindrücke und klärten einige Fragen, die währenddessen aufgekommen waren. Der Film war besonders nach dem Spaziergang sehr eindrücklich und regte zum Nachdenken an. Man hinterfragte nochmal mehr dieses fast normale Leben mit wunderschönem Haus und Garten der Familie Höß, die das Leid auf der anderen Seite des Hauses, kaum 30 Meter entfernt, so gut verdrängen konnte.
13.02.2025 – Donnerstag – Besichtigung und Führung durch das Stammlager Auschwitz I
Der Tag, an dem wir den Ort, von dem wir bisher nur gehört hatten, in der Realität sehen sollten, begann mit einem zeitigen Frühstück und einem anschließenden Workshop. Dieser diente zur Vorbereitung auf den Gedenkstättenbesuch. Wir sprachen über unsere verschiedenen Assoziationen zu dem Begriff „Auschwitz“ und frischten noch einmal unser Wissen zum Nationalsozialismus, zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust auf. Wir klärten noch ein paar wichtige Definitionen sowie den Unterschied zwischen Konzentrations- und Vernichtungslager. Außerdem beschäftigten wir uns ein wenig mit der Geschichte der bereits 1947 gegründeten Gedenkstätte.
Nach dem Mittagessen begann die Führung durch das Konzentrationslager Auschwitz I. Die nächsten 3 Stunden waren harte Konfrontation mit der grausamen Vergangenheit und Wirklichkeit. Schon als man sich durch das Tor mit der Überschrift „Arbeit macht frei“ bewegte, erfasst einen ein Gefühl, das man Menschen nur schwer beschreiben kann, die die Gedenkstätte selbst nicht besucht haben. Uns wurden die einzelnen Bereiche des KL´s gezeigt, in welchen wir hinter riesigen Schaufenstern ein kleines Ausmaß des an diesem Ort geschehenen Leides sehen konnten. Diese Vitrinen waren bspw. mit den Schuhen der im KL gefangenen und getöteten Juden oder auch mit einer immensen Menge an abgeschnittenen Haaren gefüllt. Besonders dieser Anblick löste in Teilen der Gruppe großes Entsetzen aus. Unser Guide führte uns ebenfalls zur Todeswand, an welcher Todesurteile auf offenem Platz vollstreckt wurden. Diese Wand war einer der Orte, an denen wir etwas länger stehen blieben und innehielten, um der Opfer zu gedenken. Kurz vor Ende der Führung besichtigten wir noch einen Bereich des Museums, welches das Leben der europäischen Juden vor dem Holocaust und die daran anschließende Verfolgung und Vernichtung in Form von Videos, Texten und politischen Reden zeigte. Im letzten Raum des Museums sahen wir „Das Buch der Namen“, in dem die namentlich bekannten ca. 4,8 Millionen während des Holocaust ermordeten Frauen, Männer und Kindern aufgeführt sind. Ein Schlag, wenn man sich vorstellt, dass diese Anzahl nicht einmal alle Ermordeten umfasst.
Nach dieser emotional aufwühlenden Führung brauchten viele von uns erst einmal Zeit, um das Gesehene und Gehörte, bspw. in Gesprächen mit Freunden, zu verarbeiten. Denn auch wenn man sich dieses entsetzliche Leid, das hier passiert ist, nicht ansatzweise vorstellen kann, ist man doch mental sehr mitgenommen und dieses Gefühl lässt einen nicht so schnell wieder los.
Wie am Tag zuvor trafen wir uns nach dem Abendbrot zu einer gemeinsamen Reflexion des Tages. Im Anschluss schauten wir uns gemeinsam den Film „Die Grauzone“. Dieser Film war der absolute Kontrast zu „Zone of Interest“, da dieser die Gewalt und das Leid, sowie die Umstände im Vernichtungslager Auschwitz II (Birkenau) thematisiert. Der Film handelt vom Aufstand jüdischer Häftlinge des 12. Sonderkommandos in Auschwitz II und beruht auf historischen Ereignissen im Oktober 1944. Besonders nach diesem teilweise brutalen Film nahmen wir das Angebot der gemeinsamen Reflexion wahr, klärten Fragen und tauschten uns über unsere Eindrücke aus.
Wie die Tage zuvor endete auch dieser mit einer gemütlichen abendlichen Spielerunde. Diese war nach der Führung und dem Film besonders nötig, um wieder auf andere Gedanken zu kommen und um einen gewissen Ausgleich zu schaffen.
14.2.2025 – Freitag – Besichtigung des KL-Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II)
An diesem Tag besuchten wir nun den Ort, der Schauplatz des am Vorabend gezeigten Spielfilmes gewesen war. Zuvor lernten wir aber in einem weiteren interessanten Workshop mehr über die Täter (bspw. SS-Angehörige oder KZ-Aufseherinnen). Wir beschäftigten uns mit ihren Biografien, ihren Aufgaben in den Konzentrationslagern und zogen Parallelen zwischen den einzelnen Personen.
Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg zum KL-Auschwitz II. Auf dem Gelände angekommen, konnten wir sofort das große und bekannte Eingangstor, sowie die zahlreichen Baracken erblicken. Es ist hier wichtig zu betonen, dass der Zustand von Auschwitz II in keinem Verhältnis zu dem von Auschwitz I steht, da hier vieles inzwischen verfallen ist oder noch durch die Nationalsozialisten zerstört wurde. Wir ließen uns weder durch den Wind noch die kalten Temperaturen stören und begannen unsere Tour. Da es sich bei den meisten Gebäuden nur noch um Ruinen oder den Grundriss handelte, war es um einiges schwerer als in Auschwitz I, sich alles so vorzustellen, wie es mal gewesen war. Dieser Umstand trug dazu bei, dass das ganze Thema noch weniger greifbar wurde. Während der Führung lasen zwei aus der Gruppe den bewegenden Text „Mutter und Tochter“ des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel vor, der von einem Gespräch zwischen einer Mutter mit ihrem Kind, die sich auf dem Weg in eine Gaskammer befinden, handelt. Zum Abschluss der Tour wurde uns das Innere einer Baracke gezeigt, in welcher man erschreckenderweise auch sehen konnte, wie Besucher der Gedenkstätte sich in den Wänden verewigt haben und somit einen Teil dieses denkwürdigen Ortes veränderten.
Am Abend des Tages trafen wir uns zur großen Abschlussreflexion, in der wir die vergangenen Tage noch einmal Revue passieren ließen und unsere einzelnen Lehren aus der Fahrt mit den anderen teilen konnten. Wir führten außerdem eine stille Diskussion durch, in welcher wir uns zu einzelnen Fragestellung positionieren sollten. Die gemeinsame Reflexion zeigte, welche unterschiedlichen und persönlichen Erfahrungen jeder von uns in dieser Woche gesammelt hatte und wie diese jeden von uns auch Stück weit verändert hatten.
Zum Ende dieses Abends traten unserer gemeinsamen Spielerunde einige Mitglieder mehr bei und wir spielten, redeten und reflektierten die erlebte Woche.
15.02.2025 – Samstag – Rückfahrt
Unser Tag begann noch früher als sonst, da unser Zug Richtung Heimat früh abfuhr. Trotz zwischenzeitlicher Verspätung kamen wir alle sicher und pünktlich am späten Nachmittag wieder in Dresden an.
Im Namen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchten wir uns ausdrücklich bei der Aktion Zivilcourage e.V., ihren Mitarbeiterinnen, die uns auf unserer Fahrt begleitet haben und unseren Lehrkräften Frau Frommhold und Herrn Lies für die Organisation und die Möglichkeit, an einer solchen Fahrt teilzunehmen, bedanken. Das strukturierte Programm der Fahrt, das angefangen in Kraków über die Workshops bis hin nach Auschwitz II langsam in die schwere Thematik einführte, hat sehr geholfen, sich gedanklich darauf vorzubereiten. Diese Woche hat uns nachhaltig geprägt und die Erfahrungen, die jeder und jede einzelne für sich gemacht hat, werden wir noch lange in Erinnerung behalten.
Johanna Voigt, Nils Polaczek, Maya Bernhardt, Klasse 11
„Gedenken verhindert, dass die Zeit verblasst!“
Die Gedenkstättenfahrt wurde durchgeführt in enger Zusammenarbeit mit der Aktion Zivilcourage e.V. und ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung der IBB gemeinnützige GmbH Dortmund sowie dem Landesprogramm »Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz« (WOS) des Freistaates Sachsen.